Ein Gemeindehaus für die evangelischen Christen in Lehnitz

Von Bodo Becker

Es war das Jahrhundertereignis für die evangelischen Christen in Lehnitz – die Einweihung
ihres Gemeindehauses am 14. November 1954. Lange hatten sie darauf warten müssen. Schon
vor der Reformation gehörte die kleine Ansiedlung Lehnitz als Filiale ohne eigene Kirche zur
Pfarre Bötzow. Als im April 1541 die erste reformatorische Kirchenvisitation für Bötzow
durchgeführt wurde, fand auch Lehnitz mit Abgaben an den Pfarrer und Küster Erwähnung
im Visitationsprotokoll. Das erste Bötzower Kirchenbuch von 1634 wies für das Dorf zwei
Taufen aus. Ohne Kirche und Friedhof mussten sich alle kirchlichen Rituale im Lebenslauf
der Gläubigen bis in das 20. Jahrhundert hinein in der Mutterpfarrei Oranienburg vollziehen.
Steigende Einwohnerzahlen nach 1918 verstärkten die Unzufriedenheit mit dieser Situation.
Die erste Änderung gab es am 1. November 1925. Pfarrer Erich Schramm segnete feierlich
den neuen Friedhof ein. Bei gutem Wetter rief Pfarrer Schramm die Gläubigen zu
Waldgottesdiensten auf dem heutigen August-Bebel- Platz (Thälmannstraße).

Aus dem Archiv von Bodo Becker

Aus dem Archiv von Bodo Becker

In den kalten Monaten organisierte der Gemeindekirchenrat Bibelstunden im Café Hildebrandt an der
Florastraße oder im Restaurant Seebad-Lehnitz an der heutigen Friedrich-Wolf- Straße. Für
die über 800 Einwohner wies die kirchliche Statistik des Jahres 1932 drei Trauungen, vier
Taufen, fünf Beerdigungen, sechs Bibelstunden und vier Waldgottesdienste aus. Während des
Zweiten Weltkriegs trieb der Bombenkrieg viele Familien nach Lehnitz. Dazu kamen
Flüchtlinge und Vertriebene, so dass 1950 über 2000 Menschen (1939=1780) hier lebten.
Persönliches Engagement und Improvisation bestimmten das Gemeindeleben jener Jahre. So
fanden regelmäßige Gottesdienste im Haus der Familie Lemke am Gutsplatz 3 statt. Die
Kinder versammelten sich hier auf der Treppe ins Obergeschoss zum Kindergottesdienst. Im
Saal der Gaststätte Lindenhof am Gutsplatz traf sich die Gemeinde zum Gottesdienst am
Heiligabend. Das erste Krippenspiel durfte noch in der Schulaula aufgeführt werden. Ab 1950
führte dann die Katechetin Johanne Kühnast den Christenlehreunterricht in ihrem Haus,
Thälmannstraße 6, durch. Ein von Architekt Walter Krüger (er wirkte auch am Wiederaufbau
der Oranienburger Kirche) vorgelegter Entwurf zeigt einen Rundbau, an dem ein nur wenig
überragender Glockenturm steht. Der Standort, das Grundstück Friedrich-Wolf- Straße 25,
gefiel den staatlichen Behörden wegen der zentralen Ortslage jedoch nicht. Eine Realisierung
blieb aus, jedoch konnte ab August 1953 für über 81.000 DM auf dem Ruinengrundstück
Florastraße 35 das benötigte Gemeindehaus errichtet werden. Mit Schnee und Kälte feierte
man am 23. Januar 1954 das Richtfest. Am 14. November erfolgten die Schlüsselübergabe
und die feierliche Einweihung mit Posaunen- und Kirchenchor durch Superintendent Ernst Detert.

Aus dem Archiv von Bodo Becker

Aus dem Archiv von Bodo Becker

Die zum Gottesdienst erschienen ca. 200 Besucher füllten die beiden Kirchenräume
bis in den Vorraum hinein. Zur Verfügung standen nun ein Kellergeschoss, darüber der
eigentliche Gottesdienstraum mit Altarnische und elf 3,5 Meter langen Kirchenbänken sowie
zwei weitere Räume. Das Obergeschoss war noch nicht nutzbar. Von staatlicher Seite nahmen
Karl Binder als Stellvertreter des Bürgermeisters und zwei Angestellte des Kreisbauamtes
Oranienburg teil. Ohne Glockenstuhl erkannte man das schlichte Gebäude mit den zwei
Balkonen als Gemeindehaus nur schwer. Heute verrät das beleuchtbare Kreuz an der Fassade
mit dem darunter vertikalen Schriftzug „Ev. Gemeindehaus“ die Zweckbestimmung sofort.