Vom Kolonialwarenladen zur Großraumverkaufsstelle in der Mangelwirtschaft. T. 2

Von Bodo Becker

Die linke Haushälfte (bis 1945 ein Eisenwarengeschäft) beherbergte ab 1952 ein Lebensmittelgeschäft der staatlichen Handelsorganisation HO. Vor der Schließung in den 1990er Jahren beschränkte sich das Angebot auf Gemüse, Obst und Getränke.

Abb. 1. Schaufenster-Dekoration zum 15. Jahrestag der DDR. Alle Abb. Archiv B. Becker

Aus dem kleinen Zigarrenladen von Wilhelm Wannemacher entstand 1946 im Erdgeschoss des heutigen Wohnhauses Friedrich-Wolf-Str. 1 der erste Lehnitzer Konsum.

Abb. 2. Der Konsum vor seiner Schließung nach 1990

Abb. 3. Einkauf im Konsum nach 1990

Zu erwähnen ist auch der Milchladen von Gustav Seel am Birkenwerderweg 12, der bis Mitte der 1950er Jahre in Betrieb war. In einem kleinen Laden am Birkenwerderweg 38 verkaufte vor 1945 Fritz Butzke seine Lebensmittelangebote. Gerhard Schlottke, Sohn von Friedrich Schlottke, heiratete die Witwe von Butzke nach 1945 und führte die Verkaufsstelle zeitweilig weiter.

Abb. 4. Anzeige in der Festschrift „600 Jahre Lehnitz“, 1950

Am Havelkorso 92 gab es 1935 den bescheidenen Lebensmittelladen von Otto Müller. Nach 1945 wirkten hier u.a. von 1965 bis 1977 Angela und Heinz Alte. Beide waren bis zu diesem Zeitpunkt auch in anderen Lehnitzer Konsumläden tätig gewesen. Erst im Januar 1980 fand die rekonstruierte Verkaufsstelle nach fast zweijähriger Bauzeit eine Erweiterung auf 75 Quadratmeter.

Abb. 5. Konsum am Havelkorso nach der Erweiterung, 1980er Jahre

„Durch die bereitgestellten Kühlmöbel wird sich ein reichhaltiges Angebot ergeben“, berichtete die Märkische Volksstimme anlässlich der Eröffnung.

Abb. 6. Verkaufskultur 1990 im erweiterten Konsum

Bis zum Ende der 1950er Jahre befand sich keiner der angeführten Lebensmittelläden noch in Privatbesitz. Sie gehörten entweder zur staatlichen Handelsorganisation HO oder zur Lebensmittelkette Konsum der Konsumgenossenschaften. Das schloss nicht aus, dass die ursprünglichen Besitzer weiterhin im Geschäft arbeiteten. Obwohl alle Läden nur eine überschaubare Verkaufsfläche besaßen, bemühte sich das Personal die vielgestaltigen Bedürfnisse der Kundschaft unter den Bedingungen des Mangels zu befriedigen. Da es nur geringen Stauraum gab, stellte man die angelieferten Waren, wie z.B. Milch und andere abgepackte Lebensmittel, in aller Frühe einfach vor dem Geschäft ab. Das Angebotsprinzip der „Selbstbedienung“ fand in den Lehnitzer Läden ab Mitte der 1960er Jahre Eingang.

Zu berichten ist abschließend von einem Großprojekt der Gemeinde. Weitestgehend mit „freiwilligen“ Arbeitseinsätzen entstand aus Betonfertigteilen innerhalb von zwölf Monaten bis August 1978 eine so genannte Großraumverkaufsstelle an der Magnus-Hirschfeld-Straße 8.

Abb. 7. „Freiwillige“ Aufbauhelfer beim Bau der Großraumverkaufsstelle

Zur HO gehörend fand sie wegen der Nähe zum Touristenzentrum und zur Thälmann-Siedlung (heute Waldsiedlung) beim Warenangebot besondere Berücksichtigung. Hier gab es dann auch öfter die so genannte „Bückware“, wie z.B. Berliner Pilsner, Rex-Pils oder Zigaretten der Marke Club.

Abb. 8. Eröffnung am 25.08.1978 mit Schlange und Volkspolizei

Insgesamt aber war das Warenangebot in den Läden bis 1989 immer wieder von Engpässen gekennzeichnet. Wie ein Lauffeuer sprach es sich z.B. im Ort herum, wenn es Bananen, Apfelsinen, Edelkonserven (dazu gehörten auch Pfirsiche und Kirschen!) oder bestimmtes Gemüse gab. Im Sommer waren sogar Gurken oder Kirschen knapp, denn die exportierte der sozialistische Außenhandel in die Bundesrepublik. Dann bildeten sich schnell Schlangen (genannt „sozialistische Wartegemeinschaften“) vor den Geschäften. Das Verkaufspersonal war dabei angehalten, derartige Waren auch für die einkaufenden Werktätigen am Spätnachmittag zurückzuhalten. Trotzdem musste es so manchen Unmut der Kunden über sich ergehen lassen, wenn diese wieder einmal enttäuscht wurden. Am 3. Mai 1989, kurz vor den am 7. Mai gefälschten Kommunalwahlen, sah sich die Märkische Volksstimme zu folgender Veröffentlichung veranlasst: „In diesen Wochen ist das Wort Gemüse für uns Kunden ein Reizwort. Sowieso nicht sehr verwöhnt, sind uns nun auch Kohl und Möhren knapp geworden…“

Heute gibt es fehlende Warenangebote nur noch selten, jedoch ist das Einkaufen damit nicht immer leichter geworden, wie das Lehnitzer Beispiel zeigt.

Abb. 9. Nach 1990 mit Broiler und Südfrüchten in die neue Zeit, an der Florastraße