Werner Maas – ein Lehrer mit Format. T. 2. Geachteter Kollege und Lehrer
Von Bodo Becker
Engagierter Neuanfang
Das Jahr 1950 bringt dann die langersehnte Wende im Berufsleben – W. Maas wird mit Beginn des neuen Schuljahres Sportlehrer an der Grundschule Lehnitz. Zugleich übernimmt er vertretungsweise die Schulleitung.
Die Bedingungen für den Sportunterricht sind zu diesem Zeitpunkt an der Schule äußerst schlecht. Es gibt keinen Turnraum – geschweige eine Turnhalle – Sportgeräte und -anlagen im Freien fehlen ebenfalls. Doch W. Maas, einer der wenigen qualifizierten Sportlehrer im Kreis, arbeitet mit viel Engagement an der Bewältigung der neuen Aufgaben. Die Aula wird so hergerichtet, dass Turngeräte, wie z.B. Barren, Reck und ein zerlegbarer Sprungkasten aufgestellt werden können. Auch Voraussetzungen für den Sportunterricht im Freien werden geschaffen. Dazu gehören eine Kletteranlage (Seile und Stangen), eine 100-Meter-Laufbahn und eine Hoch- und Weitsprunganlage. Später kommt ein Kleinfeld-Ascheplatz hinzu. Schüler, Lehrer und freiwillige Helfer beteiligen sich an den Arbeiten. Der gemachte Vorschlag, Volkstänze in den Gymnastikunterricht aufzunehmen, wird in der Schulaula mit widerwilliger Teilnahme der Jungen einmal in jedem Schuljahr umgesetzt. Der neue Lehrer nimmt eine alte Tradition wieder auf – das Schulsparen. Die Schüler sparen monatlich kleine Beträge, zumeist wenige Groschen unter einer Mark, die mit Sparmarken in einer Klappkarte dokumentiert werden.
Pädagogische Grundsätze – nicht immer auf der Höhe der Zeit
W. Maas fordert von seinen Schülern Einsatzbereitschaft und Disziplin. Dass er dabei in Ausnahmefällen zu Methoden greift, die auch in den 1950iger Jahren nicht nur Zustimmung hervorrufen, soll hier nicht verschwiegen werden. Zur Illustration: Zum Pfingstfest stehen auf den Lehrertischen in den Klassenräumen Vasen mit frischem Birkenreisig. Ein 14-jähriger, disziplinarisch auffälliger Schüler nimmt das Birkenreisig und schlägt es den Mädchen um die Waden, worauf die Mädchen mit lauten Schreien reagieren. W. Maas hört die Unruhe und eilt in den betroffenen Klassenraum. Er schnappt sich den Übeltäter und stuckt ihn mehrmals mit dem Kopf in den vollen Wassereimer für den Tafelschwamm. Immer, wenn der Kopf nach Luft schnappend aus dem Eimer kommt, fragt W. Maas: Machst Du das noch mal?
Die meisten Schüler erkennen , dass neben dem disziplinarischen Durchsetzungsvermögen ein hohes Maß an Fachwissen und Einsatzbereitschaft von Seiten ihres Lehrers besteht. Für ihn ist es daher eine Selbstverständlichkeit, dass er alle Übungen – auch als er schon über 60 Jahre alt ist – an den Geräten vorturnt. Der Ablauf einer Doppelturnstunde ist nach festen Regeln strukturiert. Aufgestellt in einer Reihe nach ihrer Größe werden die Schüler, bis zur 8. Klasse gemeinsam mit den Mädchen, von ihrem Sportlehrer mit dem traditionellen Sportlergruß „Sport“ begrüßt, den die Angetretenden lautstark mit „frei“ erwidern.
Danach ordnet man sich paarweise in eine Marschformation, um im Gleichschritt ein Turnerlied zu singen. Zwei Turnerlieder der bürgerlichen Nationalbewegung aus der Zeit des Vormärzes im 19. Jahrhundert wechseln sich dabei ab. Da ist zum einen „Turner auf zum Streite“ aus dem Jahre 1841. Große Beliebtheit erfreut sich jedoch bei Lehrer und Schülern das Lied „Im Dorfe Lanz bei Lenzen dort auf der Prignitz Plan“. Sein Autor, der Dichter Hans Ferdinand Maßmann (1797-1874), war ein Schüler von Friedrich Ludwig Jahn gewesen und wollte mit diesem Lied seinem Lehrer ein ehrendes Denkmal setzen. Höhepunkte sind für alle Beteiligten die jährlichen Sportprüfungen in Geräte- und Bodenturnen und Leichtathletik im Rahmen von Schulsportfesten. In einheitlicher Sportkleidung turnen die Schüler einzeln ihre Übungen für die Bewertung vor. Anschließend gibt es Mannschaftsspiele, die für viel Freude und Entspannung sorgen.
Schwimmunterricht im Lehnitzsee
Erreicht die Temperatur des Lehnitzsees 18 Grad Celsius geht es zum Schwimmunterricht an die Badestelle „Bolli“. Dabei sitzt der Schwimmlehrer in einem Ruderkahn und lässt sich von den schwimmenden Schülern umkreisen. Die wenigen Nichtschwimmer kommen an die „Schwimmangel“ und lernen unter geduldiger Anleitung, sich schwimmend über Wasser zu halten. Natürlich geht das nicht ohne Lästern und viel Lachen der zuschauenden Mitschüler ab. Von den Schwimmern, die sich sicher genug fühlen, nimmt Schwimmlehrer Maas den Frei- und Fahrtenschwimmer-Nachweis ab. Während der jährlichen Ferienspiele in den großen Schulferien Juli/August bekommen die „schwierigen Fälle“ zusätzlichen Schwimmunterricht.
Pädagogische Weiterbildung und Qualifizierung
Die pädagogische Arbeit von W. Maas findet im damaligen Kreis Oranienburg und darüber hinaus breite Anerkennung. Schon ab 1951 gehört dazu für mehr als zehn Jahre seine Mitgliedschaft in der Fachkommission Turnen. Vom Direktor der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig bekommt er Anfang des Jahre 1952 eine Stellung als Lektor für Geräteturnen angeboten. Nach mehrwöchiger Bedenkzeit lehnt er das Angebot ab. Auch als Lehrer bemüht sich W. Maas um ständige Weiterbildung und Qualifizierung. Für das Fach Deutsch erhält er bereits 1955 die Lehrbefähigung. Ein Fernstudium an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam wird 1957 mit dem Staatsexamen im Fach Geographie abgeschlossen. Die mit „Sehr gut“ bewertete Abschlussarbeit stellt mit ihren wissenschaftlichen Ergebnissen, zahlreichen Fotos und bearbeiteten Kopien historischer Karten (siehe Abb. 4) noch heute eine hilfreiche Quelle für die heimatkundliche Forschung unserer Region dar.
W. Maas übernimmt im Schuljahr 1960/61 den neu eingeführten Astronomieunterricht in der ersten 10. Klasse. Seit März 1960 hat er sich mit Weiterbildungsveranstaltungen in Berlin und Potsdam sowie intensiven Selbststudien auf das für ihn neue Fach vorbereitet. Ebenfalls an der Pädagogischen Hochschule erfolgt nach zweijährigem Fernstudium im Fach Astronomie 1964 der Abschluß mit der Note „Sehr gut“. Der Lehrstoff entspricht seinen naturkundlichen Interessen und feinmechanischen Fähigkeiten. Dies versetzt ihn in die Lage, den Mangel an Lehrmitteln durch den Selbstbau von Fernrohren, Messgeräten und Planetenmodellen auszugleichen. Ein im Januar 1962 gebautes Fernrohr, ermöglicht Schülern und Lehrer im März zum ersten Mal Sonnenflecken zu beobachten. Als Erdkundelehrer begeistert er viele Schüler mit dem Bau einer Schulwetterstation für die tägliche Wetterbeobachtung. Ab 1963 übernimmt er die Funktion eines Kreisfachberaters. Unter seiner Leitung gründet sich 1966 ein Fachzirkel Astronomie an der Lehnitzer Schule. Mit eigenen Referaten tritt er 1967/68 auf Weiterbildungsveranstaltungen in Oranienburg und Potsdam auf.
Der Rentner als Lehrer
Bis zu seinem Renteneintritt im Jahre 1969 bleibt W. Maas Lehrer an seiner Schule in Lehnitz. Auch als Rentner gibt er noch verkürzt Unterricht. Für das Schuljahr 1969/70 unterrichtet er mit 14 Wochenstunden weiter in den Fächern Geographie/Erdkunde, Astronomie und Turnen. Zum Schuljahresende wird ihm anlässlich seiner Verabschiedung die Pestalozzi-Medaille in Silber verliehen. Die sportliche Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen war seine gewählte Lebensaufgabe, die er mit voller Hingabe erfüllte. Seine Schüler und Kollegen dankten es ihm mit bewunderndem Respekt und Anerkennung. Eine ehemalige Kollegin schreibt über ihn: „Werner Maas ging in seinem Beruf auf, er stellte hohe Anforderungen an sich, an die Schüler, aber auch an uns junge Kollegen.“ Werner Maas gehört mit seiner Biographie zu jenen Menschen, die nach 1945 mit ganzer Kraft die gegebenen Chancen zum Neubeginn nutzten und ihr Leben in der DDR gestalteten. Der nachfolgende Untergang der DDR schmälert ihre Lebensleistung nicht. Am 28. September 1993 stirbt Werner Maas in einem Oranienburger Seniorenheim.
Epilog: Am 12. August 2005 konnte mit einer feierlichen Einweihung die Turnhalle an der Lehnitzer Schule zur Nutzung übergeben werden. Seit August 2007 informiert eine Erinnerungstafel an das Wirken von Werner Maas sowie allen Lehrerinnen und Lehrern für die Erhaltung des Schulstandortes nach 1945.