Lehnitzer Vereinskultur Teil 1

Lehnitzer Vereinskultur von den Anfängen bis 1945. Teil 1. Die Boots- und Sportvereine

Bodo Becker

Man sagt uns Deutschen nach, dass wir für jede Tätigkeit einen passenden Verein gründen. Dahinter steckt nicht nur der Wunsch nach Geselligkeit, sondern auch der Wille zur Emanzipation als mündiger Bürger. Die Vereine geben dafür den solidarischen Schutz, den Rahmen für die Realisierung der gemeinsamen Interessen und den notwendigen Rückhalt für die Verwirklichung der formulierten Vereinsziele. Sie umfassen alle Lebensbereiche von der Freizeit bis zur Politik.

Dabei fördern besonders die Sport- und Freizeitvereine das gesellige Leben vor Ort. So auch in Lehnitz, wo sich 1895 als erster der “Verein Wassersport Lehnitz e.V.” konstituierte. Dieser exklusive Verein führte 1897 seine erste Segelregatta durch. Schon wenige Jahre später errichteten sich die Vereinsmitglieder ihr Bootshaus unmittelbar vor dem „Seebad Lehnitz“.

Abb. 1. Bildpostkarte, gelaufen 1901. Alle Illustrationen Archiv B. Becker

In den nachfolgenden Jahrzehnten besaßen derartige Vereine einen hohen Stellenwert. Die im Jahre 1922 gegründete “Wassersportvereinigung Lehnitz” baute sich mit Hilfe von Spenden ein Wassersportheim am Badeweg 2-4. Hier fanden auch die jährlichen Sommerfeste mit Musik, Tanz und sportlicher Unterhaltung statt.

Abb. 2. Foto: Mitglieder der „Wassersportvereinigung Lehnitz“ vor 1933

Der ebenfalls 1922 gegründete “Segler-Verein Lehnitzsee e.V.” (SVL) hatte sein Tagungslokal im Restaurant “Seebad Lehnitz” (im Volksmund “Bade-Müller”). Im September 1923 veranstaltete er eine Segelregatta mit 12 Booten auf dem Lehnitzsee. Das war die erste Regatta nach einer zwölfjährigen Pause. Anlässlich der Erweiterung des Vereins-Bootssteges im Juli 1925 organisierten die Mitglieder gemeinsam mit den anderen Wassersportvereinen auf dem Lehnitzsee eine nächtliche Wettfahrt mit beleuchteten Booten. Um ihre Aktivitäten besser koordinieren zu können, gründeten sieben Vereine 1925 eine “Interessengemeinschaft der Wassersportvereine um den Lehnitzsee, Sitz Oranienburg”. Jedes Jahr im März leiteten die Wassersportvereine die kommende Saison mit den sogenannten Eierfahrten ein. Dabei fuhren sie die am Ufer gelegenen Gaststätten an und jedes Boot bekam eine Mandel (16 Stück) Eier.

Abb. 3. Bildpostkarte. Seebad Lehnitz mit den Anlegestegen des SVL, gelaufen nach 1933


Abb. 4. u. 5. Flaggenhissung des SVL auf dem neuen Anlegesteg 1928

Höhepunkte für alle Segelvereine am Lehnitzsee waren natürlich die Regatten mit Vereinen aus der näheren und weiteren Umgebung. Auch die Sportler des SVL beteiligten sich an den Wettkämpfen und stellten Anlegeplätze zur Verfügung. (Vgl. Beitr. Ein sportliches Großereignis auf dem Lehnitzsee in zerissener Zeit.)

Im Südgelände schufen sich betuchte Wassersportler eine weitere Heimstatt. Am Bachstelzenweg 12-14 entstand im Frühjahr 1930 die Gaststätte und das Wassersport-Clubhaus “Alte Havel”. Dabei ist der gewählte Name irreführend, denn es handelte sich hier um einen Bogen des 1895/96 kanalisierten Lehnitzfließes, das mit vielen Windungen den Lehnitzsee mit der Havel verband. Der ganze Bau ruhte auf hundert schweren Rammpfählen. Auf dem 7000qm großen Gelände mit 120m langer Wasserfront besaß das dreistöckige Haus im Untergeschoss 200 Bootsstände. Die oberen Stockwerke beherbergten Übernachtungsmöglichkeiten, eine Tanzdiele und Geselligkeitsräume. In Höhe des zweiten Stockwerkes verlief eine Galerie rund um das Gebäude. Mit einem großen Fest wurde das Haus am 1. Mai 1930 eingeweiht und dem “Wassersport-Club Alte Havel” zur Nutzung übergeben. Im Ergebnis der erzwungenen Gleichschaltung im Jahre 1933 schloss sich der Verein der “Völkischen Wassersportvereinigung e.V., Gruppe Oberhavel-Unterhavel” an.


Abb. 6. Bildpostkarte, gelaufen nach 1933


Abb. 7. Aufstellung zum Gruppenbild: Mitglieder der “Wassersportvereinigung Lehnitz”, 1920er Jahre

Nach dem Ersten Weltkrieg errichteten Wasserfreunde am Lehnitzsee alljährlich im Sommer eine Zeltstadt. Die Zeltler schlossen sich in den zwanziger Jahren zum Verein “Naturfreunde Lehnitz e.V.” zusammen. Auch sie belebten unsere Gemeinde mit einem jährlichen Sommerfest und festlich geschmücktem Bootskorso auf dem Lehnitzsee.

Abb. 8. Bildpostkarte, aufgenommen aus ca. 70 Meter Höhe. Gelaufen nach 1933

Im damaligen Restaurant Hildebrandt in der Florastraße konstituierte sich am 21. Mai 1932 die “Tennis-Vereinigung Lehnitz”. Bereits am 18. Juni konnten die Mitglieder ihren Tennisplatz auf dem Grundstück Grütterstraße (heute Richard-Becker-Straße) einweihen. Das nachfolgende Vereinsturnier ermittelte am 9. Oktober die ersten Sieger bei den Damen und Herren. 27 aktive Mitglieder gehörten Anfang 1933 dem Verein an.

Auch die Angler organisierten sich in Lehnitz. Als “Anglerverein Kaulbarsch-Alte Havel Lehnitz” gründeten sie ihren Verein im Jahre 1921. (Im August 2021 beging der Verein im Vereinsheim sein 100. Gründungsjubiläum. Er ist damit der älteste Freizeitverein am Lehnitzsee.)

Abb. 9. Die ersten Mitglieder des Vereins in den 1920er Jahren