SPD-Ortsgruppe Lehnitz: Von der Gründung bis zum Verbot.
Teil 1 – Bekenntnis zur Demokratie
Von Bodo Becker
Der Beginn der 1930er Jahre war geprägt vom sozialen Elend, in das die Weltwirtschaftskrise viele Menschen gestoßen hatte. Die erste parlamentarische Demokratie der Deutschen sah sich zahlreichen Angriffen von links und rechts ausgesetzt. Politische Auseinandersetzungen fanden nicht selten mit Gewalt auf der Straße statt.
In dieser bewegten Zeit trafen sich am 2. Juni 1930 zehn Anhänger der SPD im Restaurant Waldschloss in der Dianastraße (die Gaststätte wurde im 2. Weltkrieg zerstört) zur Gründung einer Ortsgruppe der SPD.
Abb. 1. Ansichtskarte, gelaufen vor 1933
Um 20.30 Uhr eröffnete ein Parteisekretär aus Berlin die Versammlung. Für die künftigen Mitglieder und Mitgliederinnen referierte er über Richtlinien und Ziele der SPD. Im Ergebnis der sich anschließenden Wahlen wurden Alfred Goldschmidt zum Vorsitzenden und Emil Goetze zum Stellvertreter gewählt. Über die Motive der wenigen Anwesenden, sich der Sozialdemokratie anzuschließen und kommunalpolitische Arbeit zu leisten, kann man nur spekulieren. Der Eintritt in die SPD stellte ein öffentliches Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie dar. Sicherlich spielten auch die Aktivitäten der NSDAP im Ort eine Rolle, der man nicht widerstandslos das Feld überlassen wollte. Bereits 1929 hatte sich eine Ortsgruppe der NSDAP gebildet. Hans Hinkel, einem ihrer wortgewaltigsten Mitglieder, war es gelungen, sich zum Vorsitzenden des überparteilichen Lehnitzer Ortsvereins wählen zu lassen. Der Ortsverein besaß bis 1933 großen Einfluss im Gemeindeparlament. (Vgl. Beitr.: Lehnitzer Vereinskultur von den Anfängen bis 1945. T. 2. Gemeinnützige Vereine und Interessenvertretungen) Nur wenige Tage nach der Gründung der SPD-Gruppe hielt jener Vorsitzende in einer Veranstaltung eine Rede: „SPD – die Partei des Arbeiterverrates.“ Bei den Landtagswahlen im November 1929 hatte die NSDAP in Lehnitz die meisten Stimmen erhalten. Die Bedingungen für eine sozialdemokratische Einflussnahme und Kommunalpolitik waren für die junge Ortsgruppe also nicht einfach. Mit ihrem Vorsitzenden Goldschmidt besaß sie jedoch einen erfahrenen Kommunalpolitiker, der schon einige Jahre als Abgeordneter in der Gemeindevertretung gewirkt hatte.
Abb. 2. Ansichtskarte, gelaufen um 1935
Erst im Februar 1931 trat die Ortsgruppe im Restaurant Lehnitz-See am Gutsplatz mit einer öffentlichen Versammlung vor die Lehnitzer Bevölkerung. In diesen Monaten der politischen Verunsicherung und Polarisierung fanden politische Veranstaltungen einen großen Zulauf. Bereits vor Beginn musste die Versammlung wegen Überfüllung polizeilich gesperrt werden. Auch eine Gruppe Nazis gehörte zu den Anwesenden, die sich lautstark mit dem Thema des Referats, „NSDAP – die Maske runter“, auseinandersetzten. Goldschmidt schloss die Zusammenkunft mit einem dreifachen Hoch auf die SPD. Der Ortsgruppe sollten nur knapp zwei Jahre verbleiben, um Kommunalpolitik zu praktizieren und als Sozialdemokraten aufzutreten. An wichtigen Gedenktagen jener Zeit, wie dem Volkstrauertag am 1. März 1931, sprach daher auch der Sozialdemokrat Erich Werst anlässlich der offiziellen Kranzniederlegung vor dem Kriegerdenkmal im Ort. Werst gehörte zugleich der Lehnitzer Gruppe des republikanischen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold an. Doch die nationalistische Propaganda und soziale Demagogie der Nationalsozialisten blieb bei den Lehnitzern nicht ohne Einfluss. Dagegen wollten die Lehnitzer Sozialdemokraten in ihren öffentlichen Versammlungen antreten. Ein Berliner Polizeimajor referierte im September 1931 über „Die Republik – und ihre Feinde”.
Abb. 3. Kopie Wahlplakat Reichstagswahl 1928
Auch für Lehnitzer Bürger verschärfte sich die soziale Situation Anfang 1932. Von den ca. 600 Einwohnern erhielten 30 Arbeitslosenunterstützung, sechs eine sogenannte Krisenfürsorge. Mehrheitlich lebten die Lehnitzer jedoch nicht einer sozialen Notlage.