Werner Maas – ein Lehrer mit Format. T. 1. Ausbildung und erste Jahre als Lehrer
Von Bodo Becker
Erinnerung: Über den Schlackesportplatz der Polytechnischen Oberschule Lehnitz wölbt sich in der Nacht vom 24. zum 25. Juni des Jahres 1964 ein klarer Himmel. Mädchen und Jungen umringen einen mittelgroßen, schlanken Mann mit weißem Kittel und folgen mehr oder weniger aufmerksam seinen Ausführungen. Einige von ihnen überragen ihren Lehrer bereits um Kopfesgröße. Alle haben ihre Blicke nach oben zum leuchtenden Sternenhimmel gerichtet. Nacheinander schauen sie durch das aufgebaute Himmelsfernrohr, um die sich vollziehende Mondfinsternis noch besser zu beobachten. Es sind Schüler der 9. und 10. Klasse beim Anschauungsunterricht mit ihrem Astronomielehrer. Zu diesem Zeitpunkt steht Werner Maas kurz vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres. Soweit aus den persönlichen Erinnerungen des Verfassers.
Ausbildung zum Volksschullehrer
Am 6. August 1904 kommt Werner Maas als Sohn eines Goldschmieds und einer Friseuse in Berlin-Hermsdorf zur Welt. Die Volksschule schließt er 1919 mit guten Ergebnissen ab. Seine Leistungen befähigen ihn, die Oranienburger Präparanden-Anstalt bis 1922 zu absolvieren. Mit der nachfolgenden Versetzung in die 3. Klasse des Evangelischen Schullehrer-Seminars im Oranienburger Schloß beginnt er sein Studium zum preußischen Volksschullehrer.
Abb. 1. Übungsschule des Schullehrer-Seminars, 1925. 2. v.l. W. Maas
Schon während der Ausbildung tritt W. Maas in den Deutschen Turnerbund ein und nimmt 1923 an einem Vorturner- und Turnwarte-Ausbildungslehrgang teil. Das erhaltene Zeugnis bescheinigt ihm sein turnerisches Wissen und Können. Als einer der letzten Studenten des Oranienburger Lehrer-Seminars legt er im Jahre 1925 die 1. Lehrerprüfung ab.
Lehrer aus Leidenschaft
Am Grünen Haus. Knaben- und Lehrlingsheim in Berlin-Tegel findet er 1926 seine erste Anstellung. „Er leitete selbständig eine Gruppe von etwa 25 Jungen, die wegen ihrer psychopatischen Anlagen und Schwererziehbarkeit besonderes psychologisches Verständnis und pädagogisches Geschick erfordern“, heisst es 1929 in seinem Abgangszeugnis. Zielstrebig arbeitet W. Maas an seinen beruflichen Zielen. Um sich eine Anstellung als ordentlicher Turn- und Sportlehrer zu ermöglichen, erwirbt er von 1929 bis 1930 an der Preußischen Hochschule für Leibesübungen in Berlin-Spandau den Befähigungsnachweis für den Sportunterricht an preußischen Volksschulen und höheren Lehranstalten.
Abb. 2. Ansichtskarte, gelaufen 1939. Preußische Hochschule für Leibesübungen
Von 1930 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kann W. Maas seinen Lehrerberuf in Groß-Schönebeck, Eichhorst/Schorfheide und Zerpenschleuse ausüben. Mit der Machtübernahme der Nazis erfährt der Schulsport eine Aufwertung bei gleichzeitiger Veränderung der Unterrichtsinhalte in Richtung militärischer Ertüchtigung. Von der Lehrerschaft verlangen die neuen Machthaber die kompromisslose politische Unterordnung. Der junge Sportlehrer und Familienvater (1933 kommt Tochter Heidrun zur Welt) gerät unter Anpassungsdruck und wird 1933 Mitglied der NSDAP. Das politische Engagement von W. Maas für den Nationalsozialismus hält sich jedoch in Grenzen, denn seine Schulstandorte stellen nicht gerade einen Karriereaufstieg dar. Sofort mit Beginn des Krieges wird er bis 1945 Soldat. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft kehrt er 1945 zu seiner Frau und den drei Kindern nach Zerpenschleuse zurück.
Entnazifizierung: Vom Schuldienst ausgeschlossen
Wegen seiner Mitgliedschaft in der Nazipartei wird W. Maas vom Schuldienst ausgeschlossen. Für den Lehrer aus Leidenschaft ist dies eine harte Strafe. Betroffen von dieser Entnazifizierung sind annähernd 72% der Lehrerschaft, so dass es in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR zu einem Lehrermangel kommt. Diese Lücke sollen politisch unbelastete Neulehrer (heute würde man Quereinsteiger sagen!) schließen, die sich in Kursen von vier bis acht Monaten das pädagogische und, wenn notwendig, fachliche Wissen angeeignet haben. So sind 1949 bereits nahezu 68% aller Lehrerstellen mit Neulehrern besetzt. Bis 1950 arbeitet W. Maas als Straßenwärter, wo er im August 1948 die Straßenwärter-Prüfung mit Note „Sehr gut“ beendet.
Trotzdem verliert W. Maas sein wichtigstes Ziel, die Wiedereinstellung in den Schuldienst, nicht aus den Augen. Ende 1948 beginnt er mit der Veröffentlichung von sportpädagogischen Beiträgen in der Fachzeitschrift „ die neue schule“. Bis 1962 folgen jährlich insgesamt neunzehn veröffentlichte Fachbeiträge. Dabei geht es besonders um die Organisierung des Sportunterrichts unter den Bedingungen fehlender Sportgeräte und -plätze. 1950 gehören dazu Themen wie die „Behelfsmässige Anlage eines Schwimmbades“; „Leibesübungen mit dem schweren Stein“ und „Körpererziehung am Tummelhang“. Die praxisorientierten Beiträge stellen eine begehrte Hilfe bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts dar.
Fortsetzung folgt …