Vergessene Osterbräuche der Mark und ein besonderes Osterfeuer

Von Bodo Becker

Welche Osterbräuche fallen ihnen spontan ein? Ostereier, Osterfeuer, vielleicht noch das Osterlamm werden viele Befragten antworten. In unserer schnelllebigen Spaßgesellschaft sind viele Bräuche in Vergessenheit geraten, die noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zum christlichen Osterfest selbstverständlich dazu gehörten. Nicht wenige von ihnen besaßen ihren Ursprung in alten heidnischen Ritualen. Es begann bereits zum Auftakt der vorösterlichen Fastenzeit am Aschermittwoch:

„Stüp, stüp, Fastenpräzel,

Jewwst de mei kä Fastenpräzel,

Stüp ick die de Rock entzwei!“,

drohten die Kinder in Germendorf ihren Verwandten und Bekannten, um dann als Belohnung eine Brezel oder Naschereien zu erhalten. Am Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung von Jesus, nehmen auch heute noch viele Menschen kein Fleisch zu sich. Damals wurde die Enthaltsamkeit noch auf weitere Nahrungsmittel wie Wurst und Schweinefett (Friedrichsthal) ausgedehnt. Stattdessen aß man Fisch, Käse, Eier oder Mehlspeisen. Vor dem Besuch des kirchlichen Abendmahls verzichtete man in Schönfließ sogar auf das Essen von Brot und nahm dafür Mohnkuchen zu sich. Die Leiden des gekreuzigten Jesus verboten gewerbliche Arbeit, das Lärmen und Kartenspielen, Musik und Hochzeiten. Wie weit die Symbolik der Kreuzigung in den Alltag hinein ging, zeigen Verbote zu nähen, eine Nadel zu berühren, zu stechen oder Blut zu berühren. In Petershagen begründeten die Bauern das Nähverbot zusätzlich damit, weil sonst die Hühner zugenäht würden, so dass sie keine Eier mehr legen könnten. Weit verbreitet war in den Dörfern der Mark das Osterwasserholen in der Nacht zum Ostersonntag. Wenn man dabei bestimmte, in den einzelnen Orten durchaus unterschiedliche, Regeln einhielt, konnten die Trägerinnen und Besitzer wahre Wunder von dem Osterwasser erwarten: Schönheit und dauerhafte Jugend, reine und zarte Haut, aber auch Schutz vor Krankheiten und Ausschlag sowie die Entfernung von Sommersprossen. In Borgsdorf sorgte es darüber hinaus noch für gesunde und klare Augen. Alle diese Wohltätigkeiten der heutigen Kosmetikindustrie und Pharmazie konnte man vor hundert Jahren auf dem Lande mit dem richtigen Schöpfen von Osterwasser bekommen. Für alle Neugierigen und Bedürftigen, die das wertvolle Osterwasser ebenfalls nutzen wollen, nachfolgend die Beschreibung der richtigen Vorgehensweisen.

Das Wasser sollte zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht oder danach bis 1.00 Uhr aus einem fließenden Gewässer gegen die Strömung geschöpft werden. Über die günstigste Fließrichtung des Wassers gingen die Auffassungen jedoch auseinander. In Schönfließ favorisierte man die Ost-West-Richtung, wogegen man sich in Germendorf und Altlandsberg für die Gegenrichtung entschieden hatte. Richtig schwierig wurde es aber mit einer weiteren Auflage. Damit das wertvolle Nass nicht zu nutzlosem „Plauder- oder Plapperwasser“ verkam, mussten die jugendlichen Trägerinnen absolutes Stillschweigen bewahren – eine Verhaltensweise die unter jugendliche Frauen damals wie heute nicht gerade sehr verbreitet ist. Erschwerend kam der Umstand hinzu, dass sie den ganzen Weg von jugendlichen Männern begleitet wurden. Die setzten wiederum alles daran, die Wasserträgerinnen zum Sprechen und Lachen zu bringen. Man kann sich die erlösende Ausgelassenheit vorstellen, wenn das Wasser dann endlich in Flaschen abgefüllt für die Verwendung bereit stand. Das richtig gewonnene Osterwasser blieb fast das ganze Jahr über klar und frisch. Frühaufsteher oder Nachtschwärmer genossen in einigen Orten den österlichen Sonnenaufgang. In den ersten flackernden Sonnenstrahlen des Ostersonntags sahen sie mit viel Fantasie und gutem Willen das Osterlämmchen in der Sonne hüpfen. „Die Sonne tanzt aus Freude über die Auferstehung“, hieß es dazu in Wandlitz.

In Herzfelde fand am Morgen noch das Turmblasen statt. Anschließend folgte eine Auferstehungsandacht an den frischen Gräbern. Der Vormittag stand dann ganz im Zeichen des festlichen Kirchganges. Weit verbreitet war der Brauch des Schlagens mit der Osterrute, der in der Form mit dem oben beschriebenen Aschermittwochsbrauch verwandt ist. Der bereits im 18. Jahrhundert nachweisbare Brauch besaß in den einzelnen Dörfern unterschiedliche Ausprägungen. Kinder und Jugendliche zogen um Mitternacht oder am Morgen des zweiten Osterfeiertages von Haus zu Haus und sagten Verse auf, mit denen sie österliche Gaben einforderten.

„Stiep, stiep, Osterei,

Muhme mit dem roten Rock,

Guck mal in den Eiertopf!

Kannste mal dran denken,

Mir ein Ei zu schenken.

In Zühlsdorf gingen noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts junge Männer, meist Knechte, um Mitternacht durch den Ort und erhielten neben den reichlich geforderten Ostereiern auch Schnaps oder Geld für Getränke. Dabei war die „Osterrute“ kein trockenes, sondern ein grünes, treibendes Reis. Das Schlagen auf bloße Körperteile hielt man für heil- und glückbringend. In einigen Gegenden kam es sogar zu einer abgewandelten Form des bayerischen „Fensterln“. Hierbei sollen besonders junge Mädchen, z.B. in Grünheide, im Bett von der Rute heimgesucht worden sein. In Neuenhagen gingen die Rutengänger soweit nicht. Sie begnügten sich mit dem Anschlagen eines jungen Birkenzweiges (Maie) am Fenster oder Bett der Schläferin. Mit vielen der so genannten „Stiepreime“ wollten sich die Kinder in den Besitz der begehrten Ostereier bringen, denn das Verstecken und Suchen spielte auf dem Lande nahezu noch keine Rolle. In der Nähe Berlins legte der Osterhase noch am ehesten seine Eier in ein vorbereitetes Nest ab. Das Färben der Eier geschah zu jener Zeit noch in natürlicher Weise. Mit Grasgrün oder junger Saat erzeugte man zum Beispiel eine grüne Farbe.

In Herzfelde mußte die Roggensaat dafür am Gründonnerstag gepflückt sein. Auch für die Farben Blau, Braun und Rot wurden Naturstoffe genutzt. Geschickte Osterhasen schrieben zusätzlich den Namen des Empfängers oder Spenders (Germendorf) oder malten Gesichter (Stolzenhagen) auf die gefärbten Eier. Einige Eier bekamen hier sogar ein Häubchen gehäkelt. Nach dem Ersten Weltkrieg setzten sich in den Ortschaften an den Strecken der viel befahrenen Vorortbahnen die käuflichen Eierfarben langsam durch, bedauerte man schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Insgesamt kannte man bei uns nicht die kunstvollen Techniken für das Veredeln der Eier wie in der Lausitz. Vielleicht findet der eine oder andere beschriebene Brauch unserer Urgroßeltern wieder in unser Osterfest zurück.

Vom Brauch des Osterfeuers, das in vielen Orten am Ostersonnabend schon seit längerem praktiziert wird, kann aus der Zeit vor hundert Jahren für die Mark nicht berichtet werden. Das mag an den vorherrschenden Protestantismus der Bevölkerung gelegen haben.

Epilog: Das verunglückte Osterfeuer 1999

Seit Ostern 1993 wird in Lehnitz am Weißen Strand mit einem Osterfeuer, Gesang der Lehnitzer Chöre und der Hennigsdorfer Blasmusik der Winter vertrieben und der Frühling angekündigt. Zu den vorbereitenden Akteuren gehörte auch die FFw Lehnitz. Am 03. April 1999 nahm der noch junge Brauch jedoch einen besonderen Verlauf. Wegen der drohenden Waldbrandgefahr sollte der aufgetürmte Reisighaufen nach dem Willen der Feuerwehr nicht angezündet werden. Natürlich rief das bei den erwartungsvollen kleinen und großen Anwesenden Enttäuschung hervor. Umso mehr bemühten sich das Hennigsdorfer Blasorchester und die Lehnitzer Chöre, die Gemüter fröhlich zu stimmen. Getränke jeglicher Art und Bratwürste vom Grill hellten die Stimmung auf. Die Kinder tobten im Sand; die Erwachsenen erfreuten sich an den untergehenden Sonnenstrahlen, die die dunkle Oberfläche des Lehnitzsees glitzern ließen.

Nach den letzten Klängen der Blasmusik passierte es dann: Plötzlich schlugen aus dem Reisighaufen Flammen in den Nachthimmel. Die FFw Lehnitz, die bis dahin nicht zu sehen war, rückte mit Blaulicht und Martinshorn an, um das Feuer sofort zu löschen. Kommandos hallten über den Strand, Schläuche fanden ihren Weg zum Feuer und es begann der Löschangriff der Kameraden unter den irritierten Blicken der Umstehenden. Zurück blieb ein trauriger, halbverkohlter Holzrestehaufen mit stinkendem Rauch. Dieses Osterfeuer blieb den Lehnitzern noch längere Zeit in Erinnerung.

Fotoserie von B. Becker

Erwartungvolle Vorfreude auf den Abend mit Osterfeuer.

Für Getränke sorgte das Restaurant „Gut Lehnitz“ mit Helfern.

Das Hennigsdorfer Blasorchester unterhielt mit Frühlingsweisen.

Helmut Kücken, Leiter des Männerchores Lehnitz, regte die Anwesenden mit Frühlingsliedern zum Mitsingen an.

Dann geschah das Unwerwartete: Die FFw Lehnitz rückte an!

Konsequent beseitigte man Hindernisse für die Anfahrt!

Die Kameraden im Einsatz: Wasser marsch!

Nach wenigen Minuten ist das Osterfeuer 1999 besiegt – Waldbrandgefahr verkleinert?